Themenwelt
Die Geburt von Nordrhein-Westfalen
Historische Fotos aus den Jahren 1928 bis 1968
von Wera Reusch
Weitere Themen zur Sammlung Dr. Paul Wolff und Alfred Tritschler
- Neue Blicke in die Geschichte von Nordrhein-Westfalen
- Von Rhein bis Weser | Landschaftsfotografien aus den 1930er- und 1950er-Jahren
- Auf dem Land und in der Stadt | Fotografien von Alltag und Leben in den 1930er- und 1950er-Jahren
- Nicht nur Kohle und Stahl | Industriefotografien aus den 1930er- bis 1950er-Jahren
- Schätze aller Art | Fotografien von Kultur, Kunst und Architektur von 1928 bis 1968
Eine der bedeutendsten Fotosammlungen Westdeutschlands ist jetzt im Greven Archiv Digital kostenlos zugänglich: Fast 40.000 Bilder zeigen nordrhein-westfälische Städte und Dörfer vor und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie mehr als 100 Industriebetriebe.
Die Fotografen Dr. Paul Wolff und Alfred Tritschler dokumentierten zwischen 1928 und 1968 auf dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens Industrie und Landschaften, aber auch Kultur, Kunst und Architektur sowie Leben und Alltag in rund 70 Orten – von Aachen bis Zons. Ein gigantischer, völlig unbekannter Bilderschatz, der zum Stöbern einlädt.
Alle Fotos von Paul Wolff und Alfred Tritschler, wenn nicht anders angegeben.
Bauernhof in Nottuln-Appelhülsen, 1934
Duisburger Hafen mit Rheinbrücke, 1939
Siebengebirgspanorama mit Drachenfels, 1939
Altstadtkneipe in Düsseldorf, 1950
Arbeiter der Carl Zangs AG in Krefeld, 1950
Arbeiter der Gutehoffnungshütte in Oberhausen, 1953
Berühmte Fotoagentur
Dr. Paul Wolff (1887–1951) und Alfred Tritschler (1905–1970) zählten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den bekanntesten deutschen Fotografen. Ihre Ende der 1920er-Jahre gegründete Firma war sehr schnell einflussreich und kommerziell erfolgreich. Fotografien von Wolff & Tritschler wurden in New York ebenso nachgefragt wie in Rom und Berlin.
Die beiden Fotografen perfektionierten die Arbeit mit der Leica-Kleinbildkamera und machten technisch und ästhetisch erstklassige Aufnahmen. Sie erhielten viele Aufträge aus der Industrie, die die Fotos für Firmenpublikationen oder Werbung nutzte, und von Kommunen, Kirchen und Kulturinstitutionen, die damit Bücher, Broschüren und Reiseführer bebilderten. Die Reportagen von Wolff & Tritschler wurden in Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt und in zahlreichen Bildbänden abgedruckt.
So erschien zum Beispiel im Kölner Greven Verlag 1949 ein Buch des Bonner Bäckermeisters Richard Lubig über das „Das Schaumsauer-Verfahren”. Er hatte dies in seiner „Bäckerei für Versuche und Forschung“ entwickelt, um Mehl und Hefe zu sparen. Illustriert ist der Band mit Fotos von Wolff & Tritschler.
Brotherstellung in der Bonner Bäckerei Richard Lubig, 1949
Pioniere der Kleinbildfotografie
Paul Wolff wurde 1887 im elsässischen Mülhausen geboren und fotografierte bereits als Zwölfjähriger mit einer hölzernen Plattenkamera. Nach seiner Schulzeit studierte er zunächst Medizin und war im Ersten Weltkrieg als Regimentsarzt tätig. 1920 zog er nach Frankfurt am Main und begann, als Fotograf zu arbeiten.
Auf einer Fotoausstellung in Frankfurt gewann Paul Wolff 1926 seine erste Leica – eine von der Firma Ernst Leitz in Wetzlar entwickelte Kleinbildkamera. Ein Jahr später fand er in Alfred Tritschler einen idealen Mitarbeiter. Der 1905 im badischen Offenburg geborene Tritschler war 22 Jahre alt, als er sich bei dem 18 Jahre älteren Paul Wolff bewarb.
Im Gegensatz zu Wolff war Alfred Tritschler Profi: Er hatte in seiner Heimatstadt eine Fotografenlehre absolviert, die Höhere Fachschule für Phototechnik in München besucht und im Versuchslaboratorium der UFA in Babelsberg gearbeitet. In den 1930er-Jahren wurde er Teilhaber der Firma Dr. Wolff & Tritschler.
Die beiden Fotopioniere erkannten das Potenzial der neuen Kleinbildkamera, die damals in Fotografenkreisen noch verpönt war, und verhalfen ihr zum Durchbruch.
Alfred Tritschler mit Leica, 1934
Frankfurt und Umgebung bildeten zunächst einen Schwerpunkt der Firma Dr. Wolff & Tritschler, doch entstanden bereits 1928 auch Aufnahmen im Rheinland: Anlässlich der internationalen Presse-Ausstellung „Pressa“ in Köln dokumentierte Wolff unter anderem Gebäude auf dem Deutzer Messegelände, die Hohenzollernbrücke und den Hauptbahnhof.
Haus der Kölnischen Zeitung von Wilhelm Riphahn und Caspar Maria Grod auf der „Pressa“ in Köln, 1928
Hohenzollernbrücke in Köln, 1928
Rolle im Nationalsozialismus
Die 1930er-Jahre waren die Blütezeit der Industriefotografie, und die Fotoagentur erhielt zahlreiche Aufträge – auch von Firmen an Rhein und Ruhr. Außerdem übernahm sie Regierungsaufträge: So fotografierten Wolff & Tritschler zum Beispiel die Olympischen Spiele in Berlin 1936, aber auch Veranstaltungen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und Produktionsstätten der deutschen Rüstungsindustrie, unter anderem im Rheinland.
Leitender Mitarbeiter der IG Farben AG in Leverkusen, 1938
DAF-Veranstaltung in der Firma F. A. Neumann in Eschweiler-Stich, 1942
Die propagandistische Rolle der Firma im Nationalsozialismus wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Kristina Lemke kommt in ihrer Dissertation „Dr. Paul Wolff. Eine Fotografenkarriere in Zeiten der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus“ zu folgendem Schluss: „Wolff hat die Chancen, die das NS-System Fotografen bot, genutzt.“ Ob er auch dessen ideologische Ziele teilte, könne nicht nachgewiesen werden. „Er etablierte sich als technisch versierter und stilistisch wendiger Fotograf, der stets auf der Höhe der Zeit arbeitete.“
Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
Bei einem Bombenangriff auf Frankfurt am Main im März 1944 wurde das Haus von Paul Wolff samt dem Plattenarchiv zerstört. Die Kleinbildnegative waren glücklicherweise in einen Brauereikeller ausgelagert und blieben erhalten. Nach der Währungsreform 1948 erhielt die Firma wieder Aufträge, die hauptsächlich von Alfred Tritschler ausgeführt wurden.
Nach dem Tod von Paul Wolff 1951 führte Alfred Tritschler die Firma allein weiter. Er machte sich vor allem als Industriefotograf einen Namen und war häufig in Nordrhein-Westfalen unterwegs. Seine Aufnahmen waren Teil zahlreicher Firmenchroniken und Jubiläumspublikationen, so zum Beispiel zum 75-jährigen Bestehen von Henkel (1951) oder zum 120. Geburtstag des Eschweiler Bergwerks-Vereins (1958).
Alfred Tritschler auf dem Gelände der Firma Henkel in Düsseldorf, 1951
Im Auftrag der Stadt Köln fotografierte Alfred Tritschler 1948 mittelalterliche Skulpturen des Schnütgen-Museums. Seine Fotobände „Der Dom zu Aachen“ (1950) und „Tochter Europas. Düsseldorf“ (1951) spiegeln den Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder wider. Die letzte große Industriereportage des Fotografen in Nordrhein-Westfalen galt 1964 der Zeche Rheinpreußen in Moers. 1968 besuchte er noch einmal Köln. Alfred Tritschler starb 1970.
Konsolbüste mit dem Parlerwappen (um 1390) aus dem Kölner Schnütgen-Museum, 1948
Königsallee in Düsseldorf, 1950
Kraftwerk der Zeche Rheinpreußen in Moers, 1964
Geschichte zum Anschauen
Das Bildarchiv der Firma übernahm 1963 Alfred Tritschlers Neffe Robert Sommer. Es befindet sich seit 1972 in Offenburg und umfasst etwa 500.000 Negative. Zehntausende davon sind im heutigen Nordrhein-Westfalen entstanden: in der Zeit der Weimarer Republik, in der NS-Zeit und in der Zeit nach 1945.
Weil nur wenige dieser Bilder in Museen oder an anderen öffentlichen Orten zugänglich sind, beschloss die Irene und Sigurd Greven Stiftung in Köln, diesen kunst- und zeithistorisch bedeutenden Schatz in digitaler Form zu veröffentlichen. Die gemeinnützige Stiftung ist der Förderung der Kunst und Kultur in Köln, dem Rheinland und Nordrhein-Westfalen verpflichtet und verfügt mit dem Greven Archiv Digital über ein Portal, das bereits rund 200.000 Bilder aus anderen Sammlungen nach heutigem Stand der Technik digitalisiert und für ein breites Publikum online verfügbar gemacht hat.

Thomas Sommer, Prokurist des Historischen Bildarchivs Dr. Paul Wolff & Tritschler, unterstützt die Digitalisierung
Foto: Nina Gschlößl
Die fast 40.000 digitalisierten Bilder aus der Sammlung von Wolff & Tritschler bieten eine Geschichte Nordrhein-Westfalens zum Anschauen – von den späten 1920er-Jahren bis Mitte der 1960er-Jahre. Sie machen auch den Wandel der Fotoästhetik von der Weimarer Republik über die NS-Zeit bis in die frühe Bundesrepublik sichtbar und regen dazu an, über die Zusammenhänge von Politik, Zeitgeist und Fotografie nachzudenken.
Partner*innen
Unterstützt wurde das Projekt „Die Geburt von Nordrhein-Westfalen. Industrie, Landschaft, Kultur“ von der NRW-Stiftung, der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen und der Landeszentrale für politische Bildung NRW.

Prof. Barbara Schock-Werner, Vizepräsidentin der NRW-Stiftung, überreicht die Förderurkunde an Dr. Damian van Melis, Vorstand der Greven-Stiftung, 28. April 2023
Foto: Nina Gschlößl
Pressekontakt
Irene und Sigurd Greven Stiftung, Dr. Dennis Janzen
Tel.: 0221/2033-167 | dennis.janzen@greven-stiftung.de
Presseberichte
NRW — Natur Heimat Kultur
Das Magazin der Nordrhein-Westfalen-Stiftung
Das Werden NRWs in 40.000 Bildern
rheinische ART.kulturMagazin
Greven Digital | NRW-Geschichte in Bildern
Rheinische Post
Historisches Foto-Archiv digitalisiert | An dieses Düsseldorf erinnert sich kaum noch jemand
Kölnische Rundschau
Die Geburt von Nordrhein-Westfalen | Fotoarchiv Dr. Paul Wolff und Alfred Tritschler wird digital verfügbar gemacht
Unterstützt wurde das Projekt „Die Geburt von Nordrhein-Westfalen. Industrie, Landschaft, Kultur“ von der NRW-Stiftung, der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen und der Landeszentrale für politische Bildung NRW.



























