Themenwelt
Urlaubsreise in den Tod
Vor 50 Jahren geriet das Kabinenschiff „Prinses Irene“ in Köln in Brand und sank – 22 Menschen starben
von Michael Fuchs
Dieser Artikel erschien am 19. April 2025 in der Kölnischen Rundschau
Es ist das schwerste Schiffsunglück in Köln seit Menschengedenken. Vor 50 Jahren, in den frühen Morgenstunden des 19. April 1975, gerät das niederländische Passagierschiff „Prinses Irene“ an der Kaimauer des Konrad- Adenauer-Ufers in Brand und sinkt rund 80 Minuten später. Besonders tragisch: An Bord befinden sich vor allem ältere und gebrechliche Passagiere, die teils auf Rollstühle angewiesen sind und sich nicht selbst retten können.
22 Menschen finden in den Flammen den Tod. Ihr Schicksal ereilt sie auf einer Urlaubsreise nach Deutschland, die die niederländische Wohlfahrtsorganisation „Zonnebloem“ (Sonnenblume) für Kranke, Körperbehinderte und Kriegsinvaliden organisiert hat.
Auf der Rückfahrt von Rüdesheim und Königswinter legt die „Prinses Irene“ am Freitag, 18. April, mittags mit 92 Passagieren und 13 Crewmitgliedern in Köln an. Am Abend findet an Bord noch eine fröhliche Abschlussfeier statt, bei der die Besucher aus den Niederlanden auf Deutsch das Lied „O du wunderschöner deutscher Rhein…“ singen, wird die „Kölnische Rundschau“ später berichten. Am Samstagmorgen soll es zurück nach Arnheim gehen. Doch dann nimmt das Drama seinen Lauf.

Mit riesigen Schiffskränen wird die „Prinses Irene“ angehoben. Im Vordergrund
das Wrack der 1973 dort gesunkenen „Regina“
80 Wehrleute und 30 Beamte der Polizei im Einsatz
Gegen 2.46 Uhr bemerkt eine Streifenwagenbesatzung auf der Rheinuferstraße, dass das Kabinenschiff brennt, und alarmiert die Feuerwehr. Es wird Großalarm ausgelöst. Rund 80 Wehrleute rücken mit Dutzenden Löschfahrzeugen und Rettungswagen an, die Polizei ist mit 30 Beamten im Einsatz.
Kommissar Bruno Küpper gehört zu den ersten, die auf das brennende Schiff stürmen, um zu helfen. Ihm kommen spärlich bekleidete, meist ältere Menschen entgegen – viele barfuß, in Nachthemd und Pyjama, zitternd, weinend. Besatzungsmitglieder, Polizisten und Feuerwehrleute versuchen, möglichst viele der hilflosen Personen aus dem unteren Deck zubefreien. Doch es kommt Wind auf, die Flammen lodern immer stärker, der Qualm wird dichter.
Um kurz nach 3 Uhr müssen Kapitän Jan Tillema, seine Crew und die Einsatzkräfte die Rettungsaktion einstellen. 83 Menschen haben die Katastrophe überlebt, für die anderen gibt es keine Hoffnung mehr. Die Feuerwehr konzentriert sich darauf, den Brand zu löschen, der in der Mitte des Schiffs ausgebrochen ist.
Während die Beamten die Schläuche auf das Schiff richten, wird gleichzeitig das Löschwasser aus dem Rumpf abgepumpt. Trotzdem sinkt die„Prinses Irene“um kurz nach 4Uhr morgens. Die Feuerwehrmänner, die in letzter Sekunde von Bord gegangen sind, schauen entsetzt zu, wie das Schiff erst in Schräglage gerät, dann mit einem gewaltigen Krachen gegen die Ufermauer schlägt und schließlich in den trüben Fluten versinkt. Die verstörten und teils verletzten Passagiere werden in Krankenhäuser gebracht oder in den Riehler Heimstätten einquartiert. Viele haben nichts als ihr nacktes Leben retten können.
Zeitzeuge Georg Bönisch (76), damals 26 Jahre alt und Reporter bei der „Kölnischen Rundschau“, erinnert sich.In der Sammelstelle in dem Riehler Altersheim hat er seinerzeit den 69-jährigen Kriegsinvaliden Jan Willem Uiterweyk interviewt. Der berichtet, wie er im Schlaf geweckt wurde, als jemand wie wild an die Kabinentür klopfte und „Feuer, Feuer!“ schrie. Er sei aus dem Bett raus, habe aber keine Zeit gehabt, seine Beinprothese anzulegen, und sei deshalb auf seinem gesunden Bein aufs Oberdeck gehumpelt, gestützt von einem Begleiter.
Auf Bönischs Frage, wie viele seiner Landsleute ihr Leben gelassen haben, sagt der Niederländer, er glaube nicht, dass noch jemand an Bord gewesen sei. Das ganze Ausmaß der Katastrophe hat man der Reisegruppe zu diesem Zeitpunkt offenbar vorenthalten.

Auf einer Bahre tragen Feuerwehrleute eines der Todesopfer aus dem geborgenen Wrack der „Prinses Irene“

Das gesunkene Schiff ragt während der Bergung halb aus dem Wasser

Betroffene Gesichter bei den Feuerwehrmännern und Bestattern. 22 Menschen
kommen bei dem Brand ums Leben
„Das war einer der bewegendsten Momente in meinem Journalistenleben.“
- Georg Bönisch, damals Reporter der „Kölnischen Rundschau“
Dann wird Bönisch Zeuge, wie einer der geretteten Passagiere, ein 75-jähriger Mann, erfährt, dass seine Frau den Brand nicht überlebt hat. Der Mann habe sekundenlang unbeweglich dagestanden, die Finger verkrampft gespreizt, dann sei er ans Fenster gestürzt und habe geschrien: „Was soll ich nur tun? Was soll ich nur tun?“, schildert Bönisch die beklemmende Szene später in seinem Artikel. Im Rückblick sagt er heute: „Das war einer der bewegendsten Momente in meinem Journalistenleben.“
Das Leid, das der Brand über die Opfer und ihre Familien gebracht hat, hält Schaulustige nicht davon ab, sich das Wrack aus der Nähe anzuschauen. Von nah und fern strömen die Menschen zu Tausenden ans Rheinufer, um einen Blick auf das Totenschiff zu erhaschen. Viele haben Proviant und Kameras dabei und harren viele Stunden vor Ort aus. Besonders makaber: Gleich neben der Unglücksstelle liegt noch das Wrack der „Regina“ im Rhein. Das Kabinenschiff ist im Oktober 1973 in Köln gesunken, wird aber erst im Januar 1976 geborgen.

Tausende Schaulustige bestaunen Tag und Nacht das Wrack.

Tausende Schaulustige bestaunen Tag und Nacht das Wrack
Um die „Prinses Irene“ aus den Fluten zu heben, werden die riesigen Schwimmkräne „Gigant“ und „Hai“ angefordert. Am Montagmorgen gelingt die Mission, am Dienstag wird das Wrack zurück nach Arnheim geschleppt. Die Brandursache kann nicht eindeutig geklärt werden. Die Ermittler sind sicher, dass es kein technischer Defekt war, sondern offenes Feuer, möglicherweise ausgelöst durch eine brennende Zigarette. An Bord galt Rauchverbot, doch das hätten einige nicht beachtet, heißt es.
Nach etwa einem Jahr habe die Staatsanwaltschaft Köln die Ermittlungen eingestellt, erinnert sich Bönisch. Für das schwerste Schiffsunglück, das sich in Köln je ereignet hat, sei am Ende niemand zur Rechenschaft gezogen worden.
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1896 in Köln gebaut
läuft die spätere „Prinses Irene“ in Köln vom Stapel. Unter dem Namen „Stadt Cöln“ absolviert das Passagierschiff seine Jungfernfahrt. Es ist als Schaufelraddampfer konstruiert. Mit 270 Bruttoregistertonnen, 56 Metern Länge, sechs Metern Breite und 1,45 Metern Tiefgang ist sie nach heutigen Maßstäben ein eher kleines Schiff. Die „Stadt Cöln“ steht zunächst in Diensten der Mülheimer Dampfschiffahrtsgesellschaft und wird den Kölnern als eines der legendären „Müllemer Böötche“ bekannt. Die Reederei lässt den ehemaligen Raddampfer später umbauen für den Personen- und Frachtverkehr.
Mitte der 1920er Jahre übernimmt die Köln-Düsseldorfer (KD) das Schiff, verkauft es aber bald darauf nach Schleswig-Holstein. Als „Stadt Lauenburg“ pendelt es fortan auf der Elbe zwischen Lauenburg und Hamburg. Der niederländische Reeder Cornelius Ketel kauft es im Jahr 1947, lässt es generalüberholen und zum Kabinenschiff umbauen. Nun erhält es den Namen „Prinses Irene“ – benannt nach der niederländischen Prinzessin Irene, einer Schwester der späteren Königin Beatrix. Zugelassen ist es für 98 Passagiere und eine 13-köpfige Besatzung.
1971
wird die „Prinses Irene“ auf dem Rhein in Köln in einen Unfall verwickelt. In Höhe Stammheim kollidiert sie am 24. August gegen 9.15 Uhr mit dem Motortankschiff „Neckartank 3“, wird beschädigt. 1334 Tage später gerät sie am Konrad- Adenauer-Ufer in Brand und sinkt.
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Michael Fuchs, Jahrgang 1967, ist Redakteur in der Rundschau-Lokalredaktion Köln. Er schreibt vor allem über Kommunalpolitik. Aber auch Themen wie Stadtgeschichte, Umweltschutz und Radfahren liegen ihm am Herzen.
Alle Fotos von Hansherbert Wirtz zur "Prinses Irene" finden Sie im Greven Archiv Digital.
