Themenwelt

Die Kölner U-Bahn-Stationen

KUNST UND ARCHITEKTUR UNTER DER STADT

von Barbara Schock-Werner

 

Orte, die einem vertraut sind, nimmt man wahr, ohne sie wirklich zu sehen. Das ging vielen Kölnern mit den U-Bahn-Haltestellen genauso. Erst die Fotografien von Maurice Cox machten bewusst, wie reichhaltig und differenziert die Gestaltung der Haltestellen ist. Die Haltestellen in Köln spiegeln fünfzig Jahre Architekturgeschichte der Stadt. Die erste – Dom-Hauptbahnhof – wurde 1968 eröffnet, die letzten der Nord-Südbahn wurden 2013 in Betrieb genommen. In keiner Architekturgeschichte Kölns kommen jedoch die unterirdischen Haltestellen vor. Manche von ihnen haben eigene Einträge im Internet. Dort ist aber immer nur die Linienführung und die Technik dargestellt, kein Wort über ihre Gestaltung oder ihre Planer, obwohl an ihrem Entstehen viele namhafte Architekten beteiligt waren. Tausende Menschen halten sich jeden Tag in den Haltestellen auf, sie warten dort oder durcheilen sie. Die Besucher haben es verdient, dass man diesen Räumen Aufmerksamkeit schenkt. Sie sollten besser gereinigt, unterhalten und ausgestattet werden. Vor allem wäre es wichtig, dass die Idee, die hinter der ursprünglichen Gestaltung steckt, auch bei Umbauten erhalten bleibt.



Maurice Cox, Haltestelle Neusser Straße/Gürtel, 2018

Maurice Cox, Haltestelle Neusser Straße/Gürtel, 2018



Die Pläne, in Köln – wie in anderen europäischen Großstädten – eine unterirdische Bahn für den Personenverkehr zu bauen, gehen bis auf das Jahr 1902 zurück. Zu dieser Zeit überlegte man bereits, in den Gräben der ehemaligen Stadtbefestigung eine Bahn für den Personentransport zu errichten. Doch dieser Plan wie auch das Vorhaben von 1911, ein unterirdisches Schienenkreuz in Ost-West- und Nord-Süd-Richtung mit Kreuzungspunkt Heumarkt zu bauen, blieb unausgeführt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte man an die Realisierung solcher Überlegungen denken. In den folgenden Jahren erfolgte der Ausbau des oberirdischen Straßenbahnnetzes, dabei wurden auch neue Stadtteile angebunden. Mit der Deutzer und der Severinsbrücke schuf man zwei Rheinquerungen, später kam mit der Mülheimer Brücke die dritte dazu. Einen schon konzipierten Tunnel unter dem Rhein verwarf man leider. Da das Zentrum unzureichend erschlossen und die Straßenbahn auf dem Ring überlastet war, sah der Generalverkehrsplan von 1956 eine unterirdisch geführte Straßenbahn vor, eine sogenannte Unterpflasterstraßenbahn, die vom Ebertplatz über den Hauptbahnhof zum Barbarossaplatz führen sollte. Obwohl ein von der Industrie- und Handelskammer in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Ergebnis kam, dass ein echter U-Bahn-Betrieb (also ein völlig unabhängiger und zumeist kreuzungsfreier Fahrweg) in Nord-Süd-Richtung wirtschaftlicher sei, gab man diese Idee wegen der Schwierigkeit, die Innenstadt zu unterqueren, auf. Man wollte die gut ausgebauten Straßenbahnstrecken außerhalb der Stadt mit den neuen Linien in der Innenstadt in einem System zusammenführen. Im ersten Ausbau wurde die Strecke Ebertplatz – Hauptbahnhof – Appellhofplatz – Neumarkt – Poststraße – Barbarossaplatz mit Anschlussstrecke zum Friesenplatz ins Auge gefasst. 1962 beschloss der Rat der Stadt Köln die Verwirklichung dieses Plans. Am 19. September 1963 erfolgte in Anwesenheit des Oberbürgermeisters Theo Burauen und des Oberstadtdirektors Max Adenauer der erste Rammschlag.



Maurice Cox, Haltestelle Hauptbahnhof, 2018



So begann der Tunnelbau am Appellhofplatz. 1968 war die unterirdische Verbindung zwischen der noch nicht fertiggestellten Haltestelle FriesenplatzAppellhofplatz und Dom-Hauptbahnhof benutzbar. Diese sehr kurze Strecke brachte Köln viel Spott ein. Die Baumaßnahmen im Vorbereich des Hauptbahnhofs waren äußerst aufwendig. Mit provisorischen Holzstegen musste eine Fußgängerverbindung zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt hergestellt werden. Von Anfang an hatte man natürlich ein Problem, das den U-Bahn-Bau bis in die jüngste Vergangenheit begleitete: die Konfrontation mit den im Kölner Boden liegenden Resten der römischen und mittelalterlichen Stadt, die archäologisch untersucht und nach Möglichkeit erhalten werden sollten. Dem Titel des Bestsellers von Rudolf Pörtner, Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit, könnte man mit gleicher Berechtigung den Satz »Mit der U-Bahn durch die Römerzeit« zur Seite stellen. So mussten gleich im ersten Bauabschnitt die Römermauer in der Komödienstraße und am Zeughaus der Lysolph- und der Römerturm abgefangen werden. In der jüngeren Zeit waren es die römische Hafenmauer und das Hafentor unter dem Kurt-Hackenberg-Platz, die ebenfalls eine aufwendige Konstruktion erforderten. Auch auf den Dom, dem man gefährlich nahe rückte, musste Rücksicht genommen werden.

 

Unmittelbar nach dem Ratsbeschluss zum Bau der U-Bahn wurde eine Gruppe freischaffender Architekten, die in Köln ein entsprechendes Renommee hatten, mit der Haltestellengestaltung betraut. Die ersten, die man auswählte, kamen aus dem Umkreis von Wilhelm Riphahn. Die Architekten sollten das Gesicht der Haltestellen prägen. Das Prinzip, jedem Haltepunkt ein individuelles Aussehen zu geben, sollte dem Fahrgast schon beim ersten Blick aus dem Wagenfenster zeigen, wo er sich gerade befand. Zwei unterschiedliche Herangehensweisen begleiten den U-Bahn-Bau auf der ganzen Welt bis heute: Entweder man hält die Haltestellen möglichst schlicht und gestaltet sie alle gleich – dafür steht ganz charakteristisch die Londoner U-Bahn. Oder aber man bemüht sich darum, die Haltestellen möglichst künstlerisch zu gestalten. Dafür steht in der Frühzeit die Métro in Paris, deren Eingänge um 1900 von dem Künstler Hector Guimard entworfen wurden. Man konnte die Gestaltung aber auch so steigern, dass palastartige Räume mit klassischen Säulen, Wand- und Deckenmalereien und Kronleuchtern entstanden, wie in der Moskauer U-Bahn der 1930er-Jahre.



Maurice Cox, Haltestelle Rudolfplatz, 2018



In Köln entschied man sich zwar für die Gestaltung durch Architekten, die allerdings zu Beginn der Arbeiten bei der Erstellung ihrer Entwürfe starken Einschränkungen unterlagen. Vieles war von Technikern vorgegeben worden, etwa die Länge der Bahnsteige oder die Lage der Zugänge. Die Architekten wurden nur als »Dekorateure« herangezogen, zumindest fühlten sie sich so, und im Grunde war ihnen auch das Material vorgeschrieben: »Hauptsache abwaschbar«, fasste einer der Architekten die Hauptanforderung zusammen. Dementsprechend sahen die ersten Haltestellen dann auch aus. Prinzipiell galt wohl: Je weiter eine U-Bahn-Station von der Stadtmitte entfernt lag, desto weniger künstlerische Gestaltung sollten die Bahnsteige – auch aus Kostengründen – erhalten. Das ist den Haltestellen ReichenspergerplatzFlorastraße und Lohsestraße deutlich anzusehen.

Die Haltestelle Apellhofplatz besteht aus zwei unterirdischen, quer zueinander liegenden Bahnsteigen, die durch einen langen Gang verbunden sind. Nur an wenigen Stellen hat sich die ursprüngliche Gestaltung erhalten, Heute hat fast jeder Bereich einen anderen Wandbelag.



Maurice Cox, Haltestelle Appellhofplatz, 2018 



Nach der Kurzstrecke Dom-Hauptbahnhof – Friesenplatz folgte der Abschnitt vom Appellhofplatz über Neumarkt und Poststraße zum Barbarossaplatz, wiederum ein Jahr später wurde die Strecke über den Breslauer Platz zum Ebertplatz angeschlossen.

Die Haltestelle Neumarkt hat sei der ersten Eröffnung 1969 zwei Umgestaltungen erfahren, die dem immer größer werdenden Fahrgastaufkommen folgten. Die Fotowände von Stefan Worring und Wolfgang Zurborn sind bis heute auf den Bahnsteigen prägend.



Maurice Cox, Haltestelle Neumarkt, 2018



Um die relativ enge und stark frequentierte Neusser Straße von der oberirdischen Straßenbahntrasse zu entlasten und den neu entstehenden Stadtteil Chorweiler anzubinden, konzentrierte man sich danach auf die Nordstrecke. Vom Kreuzungsbahnhof Ebertplatz wurde unter der Neusser Straße der Tunnel bis zum Gürtel, dem mittleren der Kölner Straßenringe, ausgebaut. Gleichzeitig wurde vom Bahnhof Ebertplatz bis zur Haltestelle Hansaring die Strecke unter dem inneren Ring begonnen. 1973 war die Linie durchgehend bis Chorweiler ausgebaut, allerdings, bis auf die beiden letzten Bahnhöfe, oberirdisch.

An den Wänden und Stützen des Haltepunkts Ebertplatz sind die in leuchtendem Blau und Rot gehaltenen Fliesen noch immer vorhanden. Die folgenden Haltestellen Reichenspergerplatz, Lohsestraße, Florastraße und Neusser Straße weisen Fliesen in eher gedeckten Farben auf.



Maurice Cox, Haltestelle Ebertplatz, 2018



Wände der Haltestelle Heimersdorf zeigen, dass man auch mit normierten Fliesen in feinen Abstufungen eine höchst interessante Wandgestaltung erreichen kann. Die ursprünglich ähnlich aussehende Haltestelle Chorweiler wurde 1989 durch ein Team von Architekten und Künstlern überzeugend farbenfroh gestaltet. Die Haltestelle hat auch nach dreißig Jahren ihren Charme nicht verloren.



Maurice Cox, Haltestelle Chorweiler, 2018



Die Tunnellösung für die rechtsrheinischen Abschnitte wurde 1968 beschlossen und ab circa 1976 gebaut. Anders als bei den anderen Strecken fing man stadtauswärts an, also mit den Stationen Vingst und Fuldaer Straße. Den Architekten war erneut eine Gestaltung mit abwaschbaren Fliesen vorgegeben, doch schafften sie es, den Haltestellen durch angenehm frische Farben einen freundlichen Charakter zu verleihen. Bei aller Einheitlichkeit hat jede Haltestelle ihre sofort erkennbare eigene Farbkombination. Das wussten und wissen die regelmäßigen Benutzer zu schätzen.



Maurice Cox, Haltestelle Fuldaer Straße, 2018



Allmählich veränderte sich die Gestaltung der Haltestellen. Diese Entwicklung ist wesentlich mit dem Namen Reinhard Thon verbunden. Der 1938 geborene Ingenieur arbeitete seit 1968 im Amt für Brücken und Stadtbahnbau, von 1993 bis 2003 als Leiter. Reinhard Thon ist sicher der gute Geist des frühen U-Bahn-Baus gewesen. Er verband technisches Wissen mit einem Sinn für Kunst und Gestaltung und war zudem noch ein geschickter Gesprächspartner und Vermittler im Konfliktfall.

Schon 1985 war die doppelgeschossige Haltestelle Friesenplatz fertig gestellt. Mit Fliesenfeldern wurde auf der Verteilerebene in Blau und Weiß, auf den Bahnsteigebenen in Orange und Grün eine perspektivische Wirkung erzielt. Die Stützen in der Bahnsteigmitte waren farblich angepasst. Die insgesamt besonders kunstvolle Gestaltung bezog sich sogar auf die Verlegung der Fußbodenfliesen. Leider wurde diese qualitätvolle Gestaltung 2006 durch eine ziemlich langweilige ersetzt.



Haltestelle Friesenplatz, vor 2006



In der Haltestelle Rudolfplatz kam neben einer klassisch anmutenden Gestaltung in Blau-Weiß zum ersten Mal ein ortsbezogenes Kunstwerk in Form einer Spiegelgrafik zum Einsatz. Das Prinzip des örtlichen Bezugs wurde 1987 in der Christophstraße in anderer Form wiederholt.



Maurice Cox, Haltestelle Rudolfplatz, 2018



Bei der Planung der Ehrenfelder U-Bahn-Strecke ging man völlig anders vor: Architekten und Künstler sollten hier ausdrücklich zusammenarbeiten. Bei der Wahl der Künstler wurden die Architekten zurate gezogen. Es gab also keinen Wettbewerb, weder für die Architektur noch für die künstlerische Gestaltung, sondern eine sachkundige Auswahl, die dann vom Rat der Stadt bestätigt wurde. Durch dieses Konzept entstanden höchst kunstvolle und originelle unterirdische Haltestellen.

Die Bahnhöfe unter der Venloer Straße stellen einen Höhepunkt der Gestaltung dar, auch wenn sie sich leider durch Vandalismus und Graffiti nicht mehr alle gut präsentieren. Die Haltestellen spiegeln natürlich auch den Zeitgeist der 1980er-Jahre und sind gerade in ihrer Verschiedenheit beispielhaft für das, was gelingen kann, wenn Bauherr, Architekt und Künstler gut zusammenarbeiten.



Maurice Cox, Haltestelle Leyendeckerstraße, 2018



Die zuerst nach Norden und dann nach Osten fahrende Linie 18 wurde bis 1979 kreuzungsfrei über die Mülheimer Brücke geführt, dann taucht sie wieder ab und erreicht die unterirdischen Bahnhöfe Wiener Platz (eröffnet 1994) und den Bahnhof Mülheim (eröffnet 1995), an dem eine Verbindung mit der S-Bahn hergestellt wurde.

In den Bahnhöfen in Mülheim gelang die Zusammenarbeit zwischen Künstler und Architekt nicht im gleichen Maße wie auf der Ehrenfelder Strecke. Die futuristisch anmutende Station Bahnhof Mülheim ist jedoch, trotz starker Verschmutzung, bis heute beeindruckend.



Maurice Cox, Haltestelle Bahnhof Mülheim, 2018



In den nächsten Jahren wurden zunächst keine neuen Strecken angelegt, einige Haltestellen aber, wie der Haltepunkt Hansaring, durch Verbindungen mit S-Bahn-Haltestellen umgebaut. Eine deutliche Veränderung brachten auch die neuen Medien mit sich: Statt kleinformatiger Plakate zogen nun raumhohe Medienwände in die Haltestellen ein. Immer öfter werden die Wartenden auch von in der Gleismitte stehenden »Infoscreens« unterhalten.

Mit dem Bau der Südstrecke wollte man wieder zu dem bewährten Prinzip zurückkehren, eine Haltestelle gemeinsam von einem Architekten und einem Künstler gestalten zu lassen. Dies führte aber zu völlig anderen Ergebnissen als in Ehrenfeld. Die Auswahl der Künstler wurde nicht den Architekten überlassen, vielmehr mischte der Kunstbeirat mit. Eine künstlerische Gestaltung ist eigentlich nur in der Haltestelle Chlodwigplatz wirksam. Das eindrucksvolle Wandbild von Katharina Grosse (geb. 1961) knüpft noch am ehesten an die Tradition der Ehrenfelder Haltestellen an. Es ist sehr präsent und wirkungsvoll. Der zeitliche und formale Abstand zu den Ehrenfelder Stationen wird deutlich. Sichtbeton hat die farbigen und keramisch belegten Flächen abgelöst, das Grau dominiert. Riesige Haltestellen wie Heumarkt und Breslauer Platz sind, zu »Kathedralen des Verkehrs« geworden.



Maurice Cox, Haltestelle Breslauer Platz, 2018



Da diese Strecke durch die Katastrophe des Baustelleneinsturzes unter dem Historischen Archiv der Stadt Köln am Waidmarkt schwer belastet ist und der Betrieb mit einem vollständigen Anschluss an das übrige Netz kaum vor 2024 möglich sein wird, kann über die Akzeptanz dieser Bahnhöfe im Moment noch keine Aussage gemacht werden. Auch der dringend nötige Ausbau der Ost-West-Strecke vom Heumarkt über Neumarkt und Rudolfplatz mit einer unterirdischen Streckenführung ist durch die Anlage der Haltestelle Heumarkt als Turmbahnhof zwar vorgesehen, doch wann die Realisierung erfolgt, ist nicht abzusehen.

Allmählich setzt sich ein Bewusstsein durch. dass auch die U-Bahn-Stationen wichtige Zeugnisse der Kölner Architekturgeschichte sind. Manche hätten es sicher verdient, unter Schutz gestellt zu werden.

 

 

Professorin Dr. Barbara Schock-Werner (geb. 1947) war von 1999 bis 2012 erste Kölner Dombaumeisterin. Seit ihrer Pensionierung beschäftigt sie sich verstärkt auch mit anderen Themen und ist zunehmend fasziniert von den Kölner U-Bahnen-Haltestellen, denen sie ein eigenes Buch gewidmet hat. Linienführung. Die Kölner U-Bahn-Stationen ist 2018 im Greven Verlag Köln erschienen.

Maurice Cox (geb. 1970), Fotograf in dritter Generation, arbeitet vornehmlich in den Bereichen Architektur-, Kunst-, Portrait- und Werbefotografie. Im Jahr 2003 übernahm er von seinem Vater Wim Cox das Atelier am »Klingelpütz 29«, wo schon die Fotowerkstätte von Hugo Schmölz beheimatet war.

Weitere Fotografien von Maurice Cox finden Sie hier.