Themenwelt
Bensberg - Dorf mit Monumentalbauten
von Jürgen Kaiser
Bensberg, das sich stolz-betulich »Balkon des Bergischen Landes« nennt, bietet tatsächlich einen atemberaubenden Gesamtblick auf das in der Ebene liegende Köln. Doch das eigentlich spektakuläre sind drei höchst unterschiedliche Monumentalbauten, die markant auf der Hügelkante sitzen. Dies ist umso erstaunlicher, als Bensberg ja erst 1947 Stadtrechte erhielt, was bedeutet, dass jene drei Gebäude mitten in einem kleinen Dorf errichtet wurden.
Beim Fernblick von Köln hinauf nach Bensberg fällt allerdings zuerst ein umfangreicher Hochhauskomplex der frühen 1970er-Jahre ins Auge, etwas beschönigend »Wohnpark Bensberg« genannt. Der Volksmund fand dafür den etwas treffenderen Namen »Klein-Manhattan«. Doch sollte man sich davon nicht den Ausflug verderben lassen. Denn am höchsten Punkt Bensbergs findet sich eines der eindrucksvollsten und größten Barockschlösser des Rheinlandes. Allerdings sollte man für den Besuch nicht allzu nachlässig gekleidet sein. Denn seit 1997 dient es als Grandhotel mit angeschlossenem Drei-Sterne-Restaurant und ist damit eine der exklusivsten Adressen nicht nur des Rheinlandes.
1703 entschloss sich der in Düsseldorf residierende Herzog Johann Wilhelm von Jülich-Berg, hier ein repräsentatives Jagdschloss zu errichten. Denn sowohl er als auch seine zweite Gemahlin Anna Maria Luisa de’ Medici liebten leidenschaftlich die Jagd im nahen Königsforst. Zudem soll der Legende nach der Herzogin die Lage besonders gut gefallen haben, da sie diese an ihre Heimat Florenz und die umgebenden Hügel der Toskana erinnert habe – ein nicht gerade geringes Kompliment für Bensberg, das heute allerdings nicht mehr ganz nachvollziehbar ist. Trat das Herzogspaar aus dem Hauptportal, so schaute es direkt auf den Kölner Dom in der Ferne als Blickfang, auf dessen Achse das ganze Schloss ausgerichtet ist.
Wer heute im dreiflügeligen Ehrenhof des Schlosses steht, staunt über die enormen Ausmaße, die für ein simples Jagdschloss, in dem man sich nur wenige Wochen im Jahr aufhielt, doch reichlich übertrieben scheinen.
Doch Bauherr wie Bauherrin waren nicht irgendwer. Johann Wilhelm war über seine Schwester Eleonore Magdalene sowohl Schwager als auch Onkel dreier römisch-deutscher Kaiser des Hauses Habsburg. Seine beiden anderen Schwestern heirateten ebenfalls sehr vorteilhaft auf die Throne Spaniens und Portugals. Zudem besaß der Herzog mit Jülich-Berg nicht nur eines der wohlhabendsten Territorien des Alten Reiches, sondern er erbte 1690 auch noch die Kurpfalz samt Kurwürde. Die Herzogin hingegen war die Schwester des letzten Großherzogs der Toskana aus dem Haus Medici. Beiden liebten neben der Jagd und einem prächtigen Hofleben auch Musik und Kunst, weshalb sie bedeutende Mäzene wurden. Ihre umfangreiche und hochkarätige Kunstsammlung erhielt durch sie in Düsseldorf eines der ersten Museumsgebäude in Deutschland. Und auch die Wände des Bensberger Schlosses waren einst überreich mit Barockgemälden höchster Qualität geschmückt, die selbst Goethe bei einem Besuch noch anerkennend betrachten konnte.
Doch mit dem Tod Johann Wilhelms 1716 endete schon die allzu kurze Glanzzeit Bensbergs. Denn das Paar war trotz glücklicher Ehe kinderlos geblieben. Johann Wilhelms Bruder und Erbe verlegte die Residenz des Gesamtterritoriums nach Heidelberg und später nach Mannheim. Nur noch wenige kurze Aufenthalte der Kurfürsten sind in der Folgezeit überliefert. Anna Maria Luisa kehrte nach dem Tod ihres Mannes nach Florenz zurück. Als letzte Angehörige des Hauses Medici vermachte sie ihre gewaltige Kunstsammlung sowie den Palazzo Pitti der Stadt Florenz mit der Auflage, diese Schätze niemals veräußern zu dürfen. Damit leistete sie den wichtigsten Beitrag dazu, dass Florenz zum Mekka aller Kunstliebhaber aufsteigen konnte.
1793 und 1813 diente das Schloss in den Kriegen gegen Frankreich als Lazarett, dann bis 1918 als preußische Kadettenanstalt, zwischen den Kriegen teilweise sogar als Obdachlosenunterkunft. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen es belgische Besatzungstruppen in Beschlag, die dort dann für ihre Kinder ein Gymnasium einrichteten. So blieb verständlicherweise im Innern fast nichts von der alten Pracht erhalten. Bevor dann das Grandhotel mit seinem modernen Pomp einziehen konnte waren umfangreiche Renovierungsarbeiten fällig.
Erzbischöfliches Priesterseminar.
Auf dem südlichen Nachbarhügel scheint ein weiteres Schloss zu thronen, das teilweise leider etwas unschön von »Klein-Manhattan« verdeckt wird. Das mächtige, vierflügelige Bauwerk auf hohem Sockelgeschoss erscheint mit seinen Zwiebelhauben auf den Ecktürmchen tatsächlich wie ein weiteres Barockschloss. Doch bei näherem Hinsehen erkennt man Schmuckformen des Expressionismus, die das Gebäude eindeutig in die 1920er-Jahre einordnen.
Grundsteinlegung für das neue Priesterseminar (1927):
1924 beschloss der damalige Kölner Erzbischof Karl Joseph Kardinal Schulte, das Priesterseminar aus dem sündigen Köln mit seinen vielfältigen Versuchungen unterschiedlichster Art weitab der Großstadt unterzubringen. Denn bis zu dieser Zeit lebten die jungen Männer im ehemaligen Jesuitenkolleg in der Marzellenstraße und damit in der unmittelbaren, recht anrüchigen Umgebung des Kölner Hauptbahnhofs mit seinen Kneipen, Amüsier- und Animierlokalen. Und so ging es hinauf auf den freien Hügel in gesunder Luft mit Domblick. 1926–29 schuf der Architekt Bernhard Rotterdam das mächtige Bauwerk. Doch sollte es nur kurze Zeit seinem angedachten Zweck dienen. Denn schon 1958 sorgte Josef Kardinal Frings dafür, dass das Priesterseminar wieder in die Kölner Innenstadt verlegt wurde, das er dort zusammen mit seiner Residenz neu erbauen ließ. Sein Wunsch, eng mit den jungen Priesteramtskandidaten zusammen zu leben, war ausschlaggebend. Der Bensberger Bau fand als Bildungshaus und Altenheim eine neue Verwendung, bis ein Großfeuer 1980 eine ausgebrannte Ruine zurückließ. Doch das Erzbistum ging zügig an den Wiederaufbau des Gebäudes, das nunmehr vollständig als Tagungs- und Bildungshaus genutzt wird.
Bensberger Priesterseminar (1929-30)
Das dritte im wahrsten Sinn des Wortes hervorragende Bauwerk Bensbergs ist seine mittelalterliche Burg der Grafen von Berg unterhalb des Barockschlosses. Die Grafen von Berg waren zwar ebenfalls leidenschaftliche Jäger. Doch der Burgenbau wurde vorrangig bestimmt von ihrem Interesse an der Ausbeutung des Bensberger Erzreviers. Schon die Römer hatten dort Blei und Silber abgebaut, was von dem Grafengeschlecht im 13. Jahrhundert erfolgreich und höchst einträglich wieder aufgegriffen wurde. Entsprechend aufwendig war auch ihre Bensberger Burg gestaltet.
Doch spätestens nach dem Dreißigjährigen Krieg war vom alten Glanz nicht mehr viel übrig. Im 19. Jahrhundert erinnerte man sich wieder der ruhmvollen Vergangenheit und restaurierte die Ruine im Sinne des Historismus. Mit dem Umbau zu einem neugotischen Kloster und Krankenhaus wandelte sich das Ganze zu einem höchst malerischen Ensemble.
Leider verachtete man besonders in den 1960er-Jahren die das Mittelalter nachahmende Baukunst des Historismus geradezu, sodass bis auf die Burgreste alles nachträglich Hinzugefügte wieder abgerissen wurde. Sehr beherzt stimmte der Stadtrat dem Neubau eines Rathauses in den Burgresten durch den Kölner Architekten Gottfried Böhm zu. Dieser schuf 1962–71 eines der kühnsten Bauwerke dieser Art in Deutschland.
Sorgfältig ließ er die mittelalterlichen Mauern freilegen, restaurieren und in seinen Großbau aus Sichtbeton einfügen. Gerade dieser radikale Kontrast der unterschiedlichen Baumaterialien und -stile galt als vorbildlich im Sinne der damaligen Denkmalpflege. Zudem verband Böhm auf sehr geschickte Art Alt und Neu, griff auch bei seinem dominierenden Treppenturm die Silhouette der Wehrtürme auf. Die Architektenszene war begeistert, während vor Ort dann doch sehr despektierliche Bemerkungen wie »Beamtenbunker«, »Affenfelsen« oder »Schießschartenungeheuer« fielen. Bis heute scheiden sich an diesem Bauwerk die Geister. Leider verlor das Bensberger Rathaus 1975 durch die (ungeliebte) Eingemeindung nach Bergisch Gladbach schon wieder einen Großteil seiner Funktionen. Hätten die Ratsherren dies geahnt, hätten sie sich Spott und Kosten des Neubaus wohl er- und gespart.
Rathaus Bensberg, Gesamtansicht.
Rathaus Bensberg, Treppenturm.
Dr. Jürgen Kaiser (geb. 1967) studierte in Marburg und Köln Kunstgeschichte, Mittelalterliche Geschichte und Provinzialrömische Archäologie. Er lebt in Köln als Sachbuchautor und Kulturreiseleiter. Gemeinsam mit dem Fotografen Florian Monheim veröffentlichte er im Greven Verlag Köln zahlreiche Bücher, zuletzt 2019 Macht und Herrlichkeit – die großen Kathedralen am Rhein von Konstanz bis Köln.







